01.11.2021   |   Verein

Neues aus der Provenienz- forschung

Die Provenienzforscherin Dr. Andrea Richter berichtet über das Vorgehen bei der Ermittlung der Herkunft von Kunstwerken und stellt erste Ergebnisse in kurzen Fallbeispielen vor.

Der Verein der Freunde der Staatsgalerie Stuttgart hat seit seiner Gründung 1906 mehr als 3.650 Kunstwerke erworben. Diese stellt er der Staatsgalerie als Dauerleihgabe zur Verfügung. Seit dem 1. April 2019 prüfe ich als Kunsthistorikerin und Provenienzforscherin diesen Bestand systematisch auf Kunst, die während der Zeit des Nationalsozialismus geraubt wurde. Hierzu untersuche ich die Herkunft aller Objekte, die der Verein nach 1933 erworben hat und die vor 1945 entstanden sind. Das sind insgesamt 187 Gemälde, Zeichnungen und eine Skulptur. Das Projekt ist auf zwei Jahre befristet und wird vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg (DZK) gefördert. Ein Folgeprojekt über ein weiteres Jahr wurde bereits vom DZK bewilligt und wird sich mit der Prüfung der Druckgraphik befassen.

Um an Informationen zu den Vorbesitzern eines Kunstwerks zu kommen, werden zunächst alle im Museum vorhandenen schriftlichen Notizen zum Werk selbst gesichtet und gesammelt. Der erste Schritt dazu ist das sogenannte Inventarbuch. Hier werden die Kunstwerke erfasst, wenn sie in den Besitz des Museums gelangen, d.h. die wichtigsten Informationen zu einem Werk sind im Inventarbuch notiert. Normalerweise ist dort immer vermerkt, wer der direkte Vorbesitzer war. Doch fehlt hin und wieder auch schon diese Angabe. Dann finde ich auch in Korrespondenzen, Protokollen oder anderen Dokumenten, wie beispielsweise Rechnungen, Hinweise auf den oder die Vorbesitzer. Diese Unterlagen zu den Ankäufen oder Schenkungen nach 1945 befinden sich im Archiv des Museums und des Vereins. Allerdings sind die Akten mit den Zugängen in die Sammlung der Staatsgalerie und des Vereins aus der Zeit vor 1945 am Ende des Zweiten Weltkrieges einem Feuer zum Opfer gefallen. Manchmal lassen sich am Kunstwerk selbst Hinweise auf Vorbesitzer finden, wie Sammlungs-Stempel, Aufkleber, Vermerke oder Widmungen. Wenn diese Unterlagen geprüft und das Kunstwerk untersucht wurde, folgt die Recherche in der Literatur, zum Beispiel in Werkverzeichnissen oder in Ausstellungskatalogen, in denen meist angeben wird, in wessen Besitz sich das abgebildete Werk zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches befand. Die Spurensuche führt dann weiter zu umfangreichen Internetrecherchen und zu Datenbankenabfragen, und zuletzt auch zu Archivbesuchen. Die so gesammelten Informationen werden zusammengeführt und die Geschichte der Vorbesitzer rekonstruiert. Jedoch gelingt es leider nicht immer die Kette der Vorbesitzer lückenlos zu belegen.

Sehen Sie auch: Video-Grüße aus der Staatsgalerie – von Provenienzforschung und Alexander Kanoldts "Stillleben mit Gitarre"

Auf den Spuren....